3. Oktober

2-4 mins (607 Wörter)

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Ein paar Gedanken anlässlich des Tages.

Deutschland. Gott hat mir in der letzten Zeit viel über dich gesagt. Heute feiern wir deine Wiedervereinigung. Ein Land mit zerrissener Identität.

Wenn ich an die Geschichten meiner Eltern und Großeltern denke, dann ist es unvorstellbar. Nachdem sie ihr Leben lang als Ostbürger im Schatten der Nazizeit und in der Normalität des kommunistischen Regimes, buchstäblich hinter der Mauer, aufgewachsen sind, ist am 9. November vor 30 Jahren die Mauer gefallen, und kein Jahr später wurde am 3. Oktober Deutschland ganz formell vereint. Freiheit und Demokratie. Mit einem Schlag hat sich alles verändert. Dabei meine ich nicht nur die Geschichten von langen Schlangen, wenn es mal irgendwo Bananen zu kaufen gab, oder die anderen skurrilen Anekdoten der kommunistischen Wirtschaft. Vorbei sind die Zeiten, in denen der Gemeindeleiter bei der Geheimpolizei vortreten musste. Evangelismus oder öffentlicher Lobpreis war absolut verboten. Christen wurden systematisch benachteiligt und der Weg zur höheren Bildung deutlich erschwert. Oh wie oft ich von Lehrern und den zahlreichen Zeitzeugen die Geschichten von Unterdrückung und missbrauchter staatlicher Gewalt gehört habe. Völlig surreal.

Als im Herbst 1989 die Massen auf die Straßen gingen, war es kaum abzusehen, dass diese "Friedliche Revolution" wirklich Erfolg haben könnte. Die Parole war einfach und im Rahmen der Geschichte nahezu skandalös: "Keine Gewalt". Nur wenige Monate zuvor wurden die Demonstrationen in Peking mit Panzern niedergerollt. Und hier standen die Demonstranten friedlich auf der Straße. Eine friedliche Vereinigung, die nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt verändert hat.

Nach zahlreichen Revolutionen in unserer Geschichte ist diese letzte Revolution so anders. Friedlich und in Einheit. Was ein Privileg, das die Generation meiner Eltern und Großeltern mir Freiheit ermöglicht hat, von der sie selbst kaum geträumt haben. Es erinnert mich an die Reaktion meines Vaters, als ich von meinen Plänen, zu Bethel zu gehen, berichtet hab: "Wenn ich in deinem Alter die Möglichkeit gehabt hätte, dann hätte ich es sofort gemacht". Gemeint sind kaum die nötigen Finanzen.

Deutschland. Tausend Jahre Krieg haben unser Land bestimmt. Hunderte Königreiche und Fürstentümer. Und als wir schließlich mit viel Stolz vereint wurden, ist unsere Größe zum Stolperstein geworden. Fehlgeleiteter Größenwahn, der Zerstörung für die Welt und Spaltung für uns selbst brachte. Unser Land von reicher Geschichte, Innovation, Reformation, großen Denkern, Philosophen und Wissenschaftlern ist zerfallen. Nun finden wir uns seit fast 30 Jahren wieder zusammen. Es ist ein Riss, der sich nur langsam schließt.

Mein Herz schlägt für den Osten. Die 40 Jahre Kommunismus, mit der strategischen Auslöschung von Glaube und Religion haben deutliche Spuren hinterlassen. Laut einer Studie sind nur 2.5% der Ostdeutschen bekennende Christen sind, etwa so viele wie in Nordkorea. An kaum einem anderen Ort der Welt sind die Menschen so ungläubig, so betont agnostisch. Dabei war es doch in unserem Teil des Landes, wo die Reformation losbrach und die Welt radikal verändert wurde. Es war doch unser Land, in dem Glaube plötzlich erlebbar und nah wurde.

Jahre lang habe ich immer wieder gehört, dass in Ostdeutschland der "Boden sehr hart ist", dass die Menschen hier nicht an Gott glauben wollen. Ich weigere mich, das zu glauben. Die dunkelsten und geistlosesten Momente der Geschichte waren schon immer eine Einladung an den Gott der Licht und Hoffnung ist.

Wenn ich über all diese Dinge nachdenke, sehe ich den Erlöser. Den, der völlig wiederherstellt. Den, der Asche in Schmuck verwandelt und die Trümmerstätten wieder aufbaut. Der Erretter. Der Heiler. Er, der das gute Werk zu Ende bringt, das er begonnen hat. Auch mit Deutschland.

Was für eine Zeit, in der wir leben. Gott schreibt Geschichte mit unserem Land. Gott schreibt Geschichte mit meinem Land. Mein Herz brennt für dieses nächste Kapitel. Eine neue Identität. Eine neue Reformation.