Ver​rückter Alltag

3-5 mins (847 Wörter)

Es ist schon lustig, an welche Dinge ich mich hier mittlerweile gewöhnt habe. Ich besuche eine Schule in der ich gemeinsam mit fast 1400 anderen Menschen zum Revivalist (Erweckungsträger) ausgebildet werde. Dabei gewöhne ich mich anscheinend auch außerhalb der BSSM an einige verrückte Dinge. Wenn ich allerdings darüber nachdenke, ist es schon ziemlich lustig und definitiv nicht so ganz normal.

Was ist so verrückt?

Am meisten muss ich über eine Situation vor etwa zwei Wochen lachen: Sonntag Abend, etwa 18:00. Nachdem ich am Nachmittag hauptsächlich Hausaufgaben bearbeitet hatte, hab ich sehnsüchtig auf meine Kartoffelspalten gewartet, die im Ofen gemütlich an Bräunung zugenommen haben. Ich bin also in völliger Harmonie. Kurze Zeit später kam einer meiner Mitbewohner in meiner Zimmer, um mir mitzuteilen, dass nach mir dringend an der Tür verlangt wird. Etwas verwirrt begebe ich mich an die offenstehende Haustür. Ein paar Meter davon entfernt steht eine Gruppe von 4 BSSMlern die lachend auf ihre Hände starren. Ich werde sofort und mit höchster Dringlichkeit dazu gerufen. Auf meinen verwirrten Blick hin erklärt mir eine meiner Nachbarinnen, dass sie nach Goldstaub in ihren Händen suchen und ich auch schauen soll, ob ich Goldstaubkörner in meiner Hand finden kann. Ja natürlich. Goldstaub. Völlig normal.

Immer noch recht verwirrt schaue ich auf meine Hände, auf die Hände der anderen und wieder auf meine eigenen. Ich hab hier schon viele Geschichten gehört, dass sich Gottes Herrlichkeit machmal dadurch zeigen kann, dass Goldstaub auf Menschen erscheint. Ziemlich verrückt, ich weiß. Völlig außerhalb meiner persönlichen Erfahrung. Aber eben auch nicht unmöglich für einen allmächtigen Gott. Wir suchen also alle nach dem Goldstaub in unseren Händen, unter gegenseitiger Ermutigung, dass Jesus uns zu kindlichem Glauben berufen hat. Etwas merkwürdig ist es sicherlich trotzdem. Aber da waren definitiv golden klitzernde Stellen auf unseren Händen. Verrückt. Ich weiß bis heute noch nicht ganz, wie das ganze überhaupt angefangen hat oder warum die Leute überhaupt vor meiner Tür standen.

Ein paar Minuten später sitzen wir alle in meinen Appartment. Meine Kartoffelspalten haben optimale Bräunung erreicht. Die Menge der Kartoffelspalten ist allerdings nur auf mich abgestimmt. Also wird kurz für die Vermehrung des Essens gebetet. Logisch. Dann gab es eine kurze Diskussion, was wir nun machen sollten. "Wir könnten Prophetie üben". Natürlich. Also haben wir uns alle in einen Kreis gesetzt und die Reihe um übereinander prophetische Wörter geübt. Eine völlig normale Aktivität. Während wir so ein paar Stunden geübt haben, kamen nach und nach ein paar Mitbewohner und Nachbarn dazu und wir haben uns alle gegenseitig gesegnet und prophezeit. Das ist schon eine interessante Weise, einen Sonntagabend zu verbringen.

Gewöhnungssache

Wenn ich über diesen Abend nachdenke, ist das schon ziemlich verrückt. Ein paar Freunde stehen plötzlich vor meiner Tür und wollen mit mir nach Goldstaub in ihren Händen suchen. Danach üben wir für ein paar Stunden Prophetie. Vor ein paar Monaten wäre das der außergewöhnlichste Tag den Jahres gewesen, jetzt ist es nur ein ziemlich guter Tag, gar nicht so außergewöhnlich.

Und genau das ist der Punkt: Es erstaunt mich, an welche Dinge ich mich hier so schnell gewöhne. Dabei ist das sicherlich nicht mal das Verrückteste. Ich bin schon gar nicht mehr überrascht oder verwundert, wenn Menschen in Gottes Gegenwart zittern, umfallen oder sich über den Boden rollen. Das passiert halt manchmal. Es ist nicht außergewöhnlich, wenn spontane Lobpreisabende (einfach mit ein paar Freunden in irgendeinem Wohnzimmer) darin enden, dass alle auf dem Boden liegen und nicht nach Hause gehen wollen, weil Gottes Gegenwart immer noch so präsent ist. Heilungen sind nicht wirklich selten und es wird mit absoluter Selbstverständlichkeit für Kranke gebetet.

Während ich diesen Text schreibe, hat mein Mitbewohner Matthew mindestens 5 mal einem Pfeil auf mich geschossen. Kurze Erklärung dazu: Anfang September saß ich ganz entspannt in unserer Küche am Tisch. Plötzlich hat Matthew mit einem breiten Grinsen im Gesicht um die Ecke geschaut und dann einen imaginären Pfeil aus seinem imaginären Köcher gezogen, um ihn mit seinen imaginären Bogen auf mich zu schießen. Der Pfeil ist der Heilige Geist. Mein Mitbewohner schießt mich mit dem Heiligen Geist ab. Wo steht das in der Bibel? Gute Frage. Etwas merkwürdig. Aber ich nehme mal an, dass der Gott, der das Universum geschaffen hat, eine ziemliche Kreativität hat. Und Er ist sicherlich auch ziemlich kreativ darin, wie Er seinen Heiligen Geist austeilt. So wirklich passen imaginäre Pfeile nicht in irgendeine Theologie. Schaden tut es aber sicherlich auch nicht. Zumal es immer noch lustig ist (vor allem wegen der präzisen Ausführung des imaginären Schusses). Jedenfalls ist das nichts Außergewöhnliches mehr. Gewöhnungssache.

Mittlerweile staune ich schon gar nicht mehr wirklich. Damit meine ich nicht, dass ich nicht mehr davon begeistert bin. Gott macht hier total verrückte und gute Sachen und ich kann es alltäglich erleben. Das ist ein riesiges Privileg und ich will nicht vergessen, was für eine gigantische Sache das ist. Gott müsste das nicht machen, aber Er ist so gut, dass Er uns tatsächlich begegnen will. Und eben das ist mittlerweile nicht mehr außergewöhnlich, dass Gott tatsächlich wirkt. Das wirklich etwas passiert. Und es daran kann ich mich sehr gern noch mehr gewöhnen.