Olive

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Vor etwa zwei Wochen hat Olive Alayne Heiligenthal unerwartet aufgehört zu atmen. Was dieser tragische Moment für Konsequenzen haben würde, hätte sich keiner ausdenken können. So richtig werde ich das auch nicht beschreiben können. Olive ist die zweijährige Tochter von Kalley Heiligenthal, die für ihre Musik bekannt ist – und sie ist als Pastorin verantwortlich für den Lobpreis im zweiten Schuljahr.

In den nächsten Tagen haben sich hunderte und tausende jeden Tag getroffen, um für Olive zu beten. Dafür, dass sie wieder beginnt zu atmen.

Eine ganz gute Einleitung dazu ist mein Journal Eintrag vom 18.12.2019:

Seit fünf Tagen ist mein Leben in einem anderem Modus. Was ich hier erlebe ist einmalig, historisch, kaum zu vergessen und ohne Zweifel definierend für mein Leben. Was hier in diesen Tagen passiert ist schwer zu beschreiben.

Als am Samstagnachmittag die Gerüchte zu Olive's plötzlichen Tod zu mir kamen, hatte ich kaum eine Reaktion. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ja, das ist kein beliebiges Kind, und auch wenn ich Kalley und Andrew nicht persönlich kenne, fühle ich mich doch mit ihr verbunden, immerhin ist sie die Lobpreispastorin in unserem Schuljahr.

Aber ganz ehrlich: An dem Abend wollte eine Freundin ihren Geburtstag feiern, und als ich von dem Gebetstreffen gehört hab, war mein erster und abschließender Gedanke, dass ich schon was im Kalender stehen hab. Als die Freundin dann ihre Feier abgesagt hat und uns stattdessen das Gebetstreffen für Olive nahegelegt hat, bin ich vor allem ihrer Einladung gefolgt – in dem Wissen, dass sie eine Leidenschaft für Auferweckungsgebet hat. Und auf der Fahrt zum Treffen hab ich mir schon überlegt, wohin wir wohl in etwa zwei Stunden zu essen fahren würden, oder ob wir es noch zu mir nach Hause schaffen, bevor der Whirlpool schließt. Kurzum: Mein Glaube und meine Motivation waren absolut nicht nennenswert.

Mein Herz Lernt Mitleid

Mir wird recht schnell klar, dass ich nicht nach zwei Stunden gehe. Viel mehr, ich beginne zu merken, dass ich kaum Glaube oder Hoffnung hab, und eine echte Gleichgültigkeit in meinem Herzen ist. Und das war der Moment, in dem ich Gott fragen musste mein Herz zu berühren. Wie kann ich Gleichgültigkeit in meinem Herzen haben, was ist da wirklich los?

Und noch weiter: Sollten wir wirklich für Auferstehung beten? Ist das eine gute Idee? Werden wir da nicht eh nur enttäuscht? Will Gott das jetzt wirklich. Ist Olive nicht glücklich im Himmel? Aber irgendwas ist hier anders, dass ist nicht nur ein nettes Gebetstreffen.

Was mir sehr schnell bewusst wurde ist, dass ich, so wie viele andere, Angst vor Hoffnung habe. Wir würden das kaum so sagen, aber für Auferstehung zu beten klingt doch nur wie eine perfekte Vorlage, um enttäuscht zu werden. Dabei ist es doch traurig zu glauben, dass es besser ist keine Hoffnung zu haben. Ich hab mich entschieden so glauben zu wollen, dass ich enttäuscht werden kann. Dass es weh tun kann.

Gott darum zu bitten sein Herz zu empfangen ist wahrscheinlich eine der erfolgreichsten Dinge, die ich überhaupt getan habe. Meine Güte. Das verändert alles.

Ich musste Buße tun, dass ich mir überhaupt die Distanz leisten konnte. Dass ich so oft Gebetsaufrufe gelesen und doch innerlich belächelt habe. Wie oft hab ich mir gedacht, dass da wahrscheinlich eh nichts passiert. Wie oft hab ich die Distanz erlaubt, Gleichgültigkeit gelebt. Wie oft war es mir nichts wert. Ich musste Buße tun, dass ich diesen Tod mit Schulterzucken beantwortet habe, weil es nicht mein Kind, nicht meine Familie, und nicht bei meinen Freunden war.

Buße ist nichts anderes, als anzuerkennen, dass ich auf einem falschen Weg bin, Gott um Vergebung zu bitten, und dann meine Richtung zu ändern. Das ist weder traurig, noch dauert es lang oder muss schwer sein. Ich bin Gott immer mehr dankbar für die Momente, in denen mein Herz offenbart wird. Das sind die Momente, in denen man näher zu Gott kommen kann.

Ich kenne den Heiligen Geist als Tröster. Ich weiß, dass Gott wunderschönes aus Asche schafft. Ich weiß, dass Er wiederherstellt, dass Er alles gebrauchen kann. Er ist gut und Er wirkt alles zum Guten. Aber ich will den Heiligen Geist kennenlernen, der Jesus von den Toten auferweckt hat. Die Kraft der Auferstehung. Ich kann und will es nicht ertragen, mangelnden Glauben mit Trost zu ersetzen.

Und so saß ich da und hab beschlossen, was ich glaube. Und was ich glaube, wenn nichts passiert. Ohne Zweifel, Gott ist gut. Ohne Zweifel, Gott hat die Kraft die Toten aufzuerwecken. Ohne Zweifel, Er hat uns dazu beauftragt. Aber ich will nicht nach Hause gehen und aufgeben zu glauben, weil Gott schon irgendwie alles zum Guten wirkt. Davon hab ich genug. Und in diesem Raum schien ich nicht der einzige zu sein.

Und vielleicht muss ich noch ein was betonen: Dieser ganze Prozess, wirklich Glauben zu haben (beziehungsweise von Gott zu empfangen) hat einige Stunden gedauert. Und das ist vollkommen in Ordnung.

Lobpreis im Krieg

Wir ziehen in den Krieg. Das war die Ansage am ersten Abend. Im Krieg stellt man nicht mehr alle Fragen. Das hab ich vorher geklärt. Jetzt wird gekämpft, bin Olive aufwacht - oder begraben ist. Kein Zwischenweg. Kein Kompromiss. Kein Rückzug. Und mit der medialen Aufmerksamkeit, die wir hier in Redding bekommen haben, kommen wir hier nicht einfach wieder raus.

Militante Sprache ist nicht der Schlüssel für Auferweckung. Und ja, es ist vielleicht etwas befremdlich, aber es hat eben doch für mich etwas bewegt. Es hat mich etwas bewegt, alles zu geben, nicht aufzugeben, weiter zu beten, auch außerhalb von öffentlichen Veranstaltungen. Weiter zu beten, wenn der Körper weh tut. Stundenlang. Als ich mich müde gefühlt habe, hab ich angefangen zu laufen, bis irgendwann meine Füße vom Laufen geschmerzt haben. Aber darum geht es in solchen Situationen nicht. Es geht nicht darum, dass es mir möglichst gut geht, dass ich möglichst viel Spaß habe. Es geht nicht einmal darum, dass ich Gott begegne. So sehr ich das auch liebe.

Ich habe gesehen, wie um 3 Uhr nachts Kalley in den Raum kam um anzubeten. Nicht um zu weinen, nicht um zu trauern. Nicht mal, um sich von uns ermutigen zu lassen. Sie kam für ihren König. Sie kam um anzubeten, mit allem was sie hat. Vollkommen blass, übermüdet. So wie man aussehen würde, wenn die Tochter vor weniger als 24 Stunden verstorben ist. Sie kam wahrscheinlich, weil Schlaf kaum möglich ist. Und sie kam, um Gott alle Ehre zu geben.

In diesen Tagen hab ich gesehen, wie völlige Hingabe aussieht. Was Lobpreis bedeutet.

Seit dem zweiten Abend war Kalley dann direkt wieder auf der Bühne zu finden. Nicht um Danke zu sagen, sondern um Lobpreis zu leiten. Wo andere Leiter sich eine Pause verschreiben, stellt sie sich an die Spitze der Bewegung. Andrew leitet die Versammlung ins Gebet für Auferweckung, für die Auferweckung seiner Tochter. Was für eine unglaubliche Situation. Das denkt sich keiner aus. Sowas macht man nicht einfach so. Und wenn Kalley nicht singt, dann tanzt sie auf der Bühne in vollster Hingabe – als eine Frau, die absolut alles gibt, der nichts zu schade ist.

Aber auch unter uns ist mir eine Veränderung aufgefallen. Ich konnnte eine ganze Nacht lang Lobpreis machen, und habe mich nicht einmal darum gekümmert, Gott zu begegnen. Er ist mir begegnet und für mich ist es auch wirklich schön. Aber völlig unrelevant. Ich war nicht dafür da. Genauso war ich nicht da, um meine Mitschüler von meiner Geistlichkeit zu beeindrucken, oder mich mit deren Intimität und Hingabe zu vergleichen. Das alles verschwindet, wenn ein Ziel vor Augen ist. Einheit ist einfach, wenn alle den gleichen Fokus haben.

Wir sind hier für Olive. Und wenn ich auf meine Mitkämpfer schaue, ist mein Blick nicht im Vergleich, sondern in der Inspiration. Als ich um 1 Uhr morgens gesehen hab, wie eine Freundin tanzt, hat es mich motiviert mit ihr in Anbetung zu tanzen. Als ich um 2 Uhr morgens gesehen hab, wie ein anderer Freund leidenschaftlich auf den Knien zu Gott betet, hat es mich motiviert alles zu geben. Und als ein Pastor um 3 Uhr morgens in den Raum kam, um nach einer Weile Schlaf neue Kraft zu bringen, stand er voller Tränen auf der Bühne, weil er einen eingeschlafene Truppe erwartet hat, aber über 200 feurige Kämpfer gefunden hat. Was für eine unglaubliche Atmosphäre.

Jeder ist Dabei

Das Gebet für Olive war nicht nur eine Aktion von verrückten BSSM Studenten. Nicht nur eine ausgewählte Gruppe besonders leidenschaftlicher Christen. Nicht nur Menschen, die schon gesehen haben, wie die Toten aufwachen. Nein. Jeder ist dabei.

Auch die Leiter sind sich nicht zu schade, ihre Körper völlig zu überanspruchen. Es ist alles ein Opfer für Gott. Nicht um ihn zum Handeln zu bewegen, sondern weil Er würdig ist. Ganz besonders in dieser Zeit. Und weil wir ein Wunder zu sehen haben.

Der volle Einsatz von allen Beteiligten hat mich echt getroffen. Wer macht sowas? Wo stirbt ein zweijähriges Kind, und dann kommen hunderte Leute zum Gebet zusammen? Und nicht nur dass, wo kommen hunderte und tausende zusammen und beten mit vollem Einsatz, tagelang. Nicht für Trost, sondern für Auferstehung. Wer macht sowas?

Es war eins der größten Privilegien, diese Bewegung hier in einer solchen Zeit zu sehen. Diese Momente zeigen, was wir wirklich haben – und was wir noch nicht haben. Ich konnte meine Leiter und Pastoren in einer außergewöhnlichen Zeit sehen. Und ich konnte sehen, wie sie ohne Frage und mit voller Leidenschaft alles gegeben haben. Da war kein Zweifel, kein Zögern.

Ihr Körper ist Begraben

Bethel hat eine hervorragende Pressemitteilung veröffentlicht, und Statements von Bill Johnson (Englisch).

Olive Alayne Heiligenthal ist nicht aufgewacht. Wir haben 6 Tage lang für sie gebetet. 6 Tage gekämpft. Ihr Körper wurde vor wenigen Tagen begraben. Aber hier fühlt sich niemand so, als wenn wir besiegt wurden. Warum?

Wir haben uns das nicht ausgedacht. Es war nicht unsere Idee für Auferstehung zu beten, es ist der Auftrag von Jesus. Macht die Kranken gesund, reinigt die Aussätzigen, weckt die Toten auf, treibt die Dämonen aus (Matthäus 10:8).

Wir folgen dem Auftrag von Gott. Und wenn es nicht so ausgeht, wie wir es erwartet haben, glauben wir weiterhin. Das ist fest, ohne Zweifel. Gott ist gut, selbst wenn Olive nicht aufwacht. Gott ist gut, selbst wenn Kranke nicht geheilt werden. Meine Erfahrungen haben nicht das Recht meinen Gott zu definieren.

Ein zweijähriges Mädchen ist unerwartet verstorben. Wir haben tagelang gebetet, voll Glauben und Erwartung. Unsere Erwartung wurde enttäuscht, aber unsere Hoffnung in Gott könnte kaum höher sein.